Kieler Stadtmuseum, Arte und NDR suchen Exponate zum Matrosenaufstand 1918

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(CIS)

Der Kieler Matrosenaufstand war die Initialzündung für die revolutionäre Bewegung, die im November 1918 in kürzester Zeit das Deutsche Reich ergriff – und schließlich zum Sturz der Monarchie und zum Ende des Ersten Weltkriegs führte. Er gehört zu den Schlüsselereignissen der deutschen Geschichte.

Foto: LH Kiel/Tamina Rössger

Anlässlich des 100. Jubiläums des Aufstandes im Jahr 2018 sind ein Dokumentardrama von NDR und Arte sowie eine umfangreiche Ausstellung des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums in Vorbereitung. Sowohl für den Film als auch für die Ausstellung werden noch authentische Erinnerungsstücke und Zeitzeugnisse gesucht, die jenseits offizieller Geschichtsschreibung einen persönlichen Eindruck der Novemberereignisse vermitteln.



Um diese Exponate zusammenzutragen, startete Kiels Kulturdezernent Wolfgang Röttgers am Mittwoch, 6. Juli, gemeinsam mit Regisseur Prof. Jens Becker, Dr. Ulrike Dotzer (NDR), Dr. Doris Tillmann (Leiterin des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums) und Dr. Johannes Rosenplänter (Leiter Stadtarchiv Kiel) einen Aufruf. „Wir hoffen auf bundesweite Beteiligung – schließlich stammten die Matrosen von 1918 zu einem großen Teil aus dem mittleren und südlichen Deutschland“, so Röttgers.

Im Gegensatz zum kaiserlichen Feldheer, in dem sächsische, preußische, württembergische oder bayerische Verbände klar regional geordnet waren, waren die Marineangehörigen aus allen Provinzen und Ländern des Reiches zusammengestellt.

Schon während der Revolution setzten sich tausende Matrosen in ihre Heimat ab und nahmen Erinnerungsstücke mit sich. „Überall in Deutschland liegen auf Dachböden und in Wohnstuben alte Dokumente wie Briefe, Postkarten und Tagebücher, aber auch Fotos und andere Erinnerungsstücke. All diese Dinge haben noch eine Geschichte zu erzählen – eine Geschichte von bewegenden Einzelschicksalen und spannenden Begebenheiten“, erklärt Röttgers.

Der Matrosenaufstand und seine Folgen

Bereits im Sommer 1917 herrschte unter den Matrosen der deutschen Marine Unzufriedenheit. Kriegsmüdigkeit und schlechte Versorgung führten zu ersten Meutereien und der Forderung nach „Frieden und Brot“.

Im Oktober 1918 war klar, dass der Krieg für Deutschland verloren war. Entgegen den Befehlen der Regierung wollte die Flottenleitung sich jedoch nicht ergeben, sondern in einem letzten, von Wilhelmshaven aus geführten Schlag gegen England glorreich untergehen. Dies führte zu einer Meuterei der Matrosen, die ihr Leben nicht wegwerfen wollten. Um die Situation zu entschärfen, wurde das III. Geschwader der Marine in den Heimathafen Kiel verlegt. Mit der Ankunft an den Holtenauer Schleusen am 1. November 1918 begann der Kieler Matrosenaufstand, in dessen Verlauf sich die Kieler Arbeiterschaft mit den Marineangehörigen solidarisierte.

Auch in anderen Teilen Deutschlands regte sich Widerstand. Am 9. November wurde in Berlin die Republik ausgerufen, einen Tag später ging Kaiser Wilhelm II. ins Exil in die Niederlande. Am 11. November wurde schließlich der Waffenstillstand unterzeichnet, der den Ersten Weltkrieg beendete.

Für Kulturdezernent Wolfgang Röttgers steht fest: „Der Matrosenaufstand ist nicht nur ein zentrales Ereignis der Kieler Stadthistorie, sondern ein Wendepunkt der deutschen Geschichte. Die Novemberrevolution von 1918 richtete sich gegen einen Krieg, der niemals gut war. Und sie führte zu einem Frieden, der sich zwar auf lange Sicht als brüchig erwies, der aber deshalb noch lange kein schlechter war: Schließlich bescherte er Deutschland die erste parlamentarische Demokratie seiner Geschichte.“

Mit Zeitdokumenten den Beteiligten eine Stimme geben



Es ist wenig bekannt über die Menschen, die unmittelbar am Matrosenaufstand beteiligt waren. Was bedeutete die Revolution für die Marineangehörigen, Arbeiterinnen und Arbeiter? Mit welchen Ängsten und Hoffnungen trafen die Protagonisten die Entscheidung, sich gegen die bestehende Ordnung zu erheben? Und wie konnte aus den Anfängen des Kieler Aufstandes eine so kraftvolle Massenbewegung werden?

Während die Meinungen und Kommentare von Staatsmännern, Generälen und Admirälen akribisch für die Nachwelt festgehalten wurden, fehlt es heute an Aussagen von Matrosen und Privatpersonen. Denn es waren nicht die hohen Offiziere oder Politiker, die damals den Stein ins Rollen brachten. Es waren Menschen aus dem einfachen Volk und Schiffsbesatzungen aus ganz Deutschland, die im entscheidenden Augenblick handelten. Sie setzten damit dem Krieg und der Monarchie ein Ende und ebneten den Weg zur Weimarer Republik.

Die geplante Ausstellung im Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum und die Filmproduktion von NDR und Arte möchten diesen Menschen eine Stimme geben.

Zu den bereits vorliegenden authentischen Zeitdokumente, die dabei helfen sollen, gehört zum Beispiel ein Gewehr-Projektil, welches das Stadtmuseum kürzlich als Leihgabe aus dem Raum Stuttgart erhalten hat. Das Projektil wurde von den Matrosen in Kiel auf Offiziere abgefeuert. Ein Kadett der Marine, der damals unter Beschuss geraten war, hatte sich hinter der eisernen Wand eines öffentlichen Toilettenhäuschens versteckt und konnte später das plattgedrückte Projektil aus der Eisenplatte herausbrechen. Anschließend nahm er das Stück mit in seine Heimat. Er hat dieses Projektil sein Leben lang aufbewahrt – als Erinnerung an die Todesgefahr, der er in Kiel ausgesetzt war. Es ist eines der ganz wenigen authentischen Sachdokumente für die revolutionären Gewalttätigkeiten in Kiel.

Ein anderes Beispiel ist eine Postkarte, die ein Matrose am 5. November 1918 in seine thüringische Heimat schickte. Dort schreibt er unter anderem: „Wenn ich jetzt lange nicht schreibe, so sei ohne Sorge. Wir streiken alle, unsere Offiziere haben wir festgenommen. […] Hoffentlich können wir so bald zum Frieden schreiten.“ Auch diese Karte ist ein wichtiges Zeitzeugnis, dem bis zum Jahr 2018 noch viele weitere hinzugefügt werden sollen.

Wer Exponate beisteuern möchte oder weitere Fragen zu den Aktivitäten rund um das Jubiläumsjahr 2018 hat, kann sich unter der Mailadresse matrosenaufstand@kiel.de oder unter der Telefonnummer 0431/901-3983 an das Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum wenden.

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